Von “Black Friday” zu “Black November”
Wie aus Black Friday eine mehrwöchige Sales-Aktion entstand.
Früher war mein Bild vom Black Friday so, dass ultra-engagierte Käufer vor den Geschäften campieren, riesige Menschenmassen ungeduldig darauf warten, dass die Türen aufgehen und um die besten Schnäppchen kämpfen. Im Grunde genommen genau das Bild dieser verrückten Aufnahmen, die wir von Kunden in Amerika am vierten Freitag im November sahen. Ein Ereignis, das mir den Wahnsinn dieses Tages vor Augen führte, war der Tod eines Walmart-Mitarbeiters, der 2008 von einer Menschenmenge zu Tode getrampelt wurde. Das zeigt, wie intensiv der Kaufrausch geworden ist und wie weit die Menschen für ein Schnäppchen gehen. Aber jetzt fühlt es sich so an, als ob ein ganzer Monat aus einem einzigen Tag des Einkaufswahnsinns entstanden ist.
Der Begriff „Black Friday“ entstand vor über einem halben Jahrhundert in Philadelphia, als Polizeibeamte damit das Chaos und die grossen Touristenströme bezeichneten, die die Stadt zum vorzeitigen Weihnachtseinkauf überschwemmten, zeitgleich mit den Menschenmengen, die sich am Wochenende des Army-Navy-Footballspiels versammelten. Mit der Zeit wurde der Black Friday zu dem Tag, an dem die Unternehmen von Verlusten (rote Zahlen) zu Gewinnen (schwarze Zahlen) übergingen. Mitte der 80er Jahre war der Black Friday in den Vereinigten Staaten zu einem Haushaltsbegriff geworden. Es dauerte noch einige Jahrzehnte, bis dieser Trend auch in der Schweiz Einzug hielt. Im Jahr 2007 starteten die ersten Geschäfte den Black Friday, und 2015 war Manor der erste grosse Einzelhändler, der sich an diesem Shopping-Event beteiligte. Die Marke machte dreimal soviel Umsatz wie an einem normalen Freitag (1). Im darauffolgenden Jahr zogen viele Geschäfte und Kaufhäuser mit eigenen Rabattaktionen nach.
Wie kommt es jetzt dazu, dass sich ein einziger Tag nun über Wochen oder sogar einen Monat erstreckt? Mit der Globalisierung des Tages und der Zunahme von Ereignissen wie dem Singles Day am 11. November und dem Cyber Monday in der darauf folgenden Woche ist der November zu einem Monat mit ständigen Rabatten geworden. Die Einzelhändler treiben diese Entwicklung voran, denn längere Verkaufszeiträume bedeuten mehr Verkaufschancen und höhere Gewinne. Auch die Lagerhaltung und der Versand werden erleichtert, da sich die Bestellungen über mehrere Wochen statt über einen einzigen chaotischen Tag verteilen.
Diese verlängerte Einkaufszeit bringt jedoch auch versteckte Kosten mit sich - Kosten für die Umwelt und für die Arbeitskräfte. Wenn die Geschäfte die Produktion hochfahren, um die gestiegene Nachfrage zu befriedigen, nimmt die Umweltbelastung zu. Es werden mehr Waren hergestellt, transportiert und schliesslich weggeworfen, was zu dem weltweit wachsenden Abfallproblem beiträgt. Und nicht nur der Planet leidet, auch die Beschäftigten in Fabriken, Lagern und Einzelhandelsgeschäften stehen unter enormem Druck. Verlängerte Arbeitszeiten und eine erhöhte Nachfrage bedeuten, dass sie oft härter, länger und unter stressigen Bedingungen arbeiten müssen, um mit dem Verkaufsansturm Schritt zu halten.
Als Verbraucher ist es daher wichtig, die wahren Kosten all dieser „tollen Angebote“ zu bedenken. Sind die Schnäppchen den Schaden für die Umwelt und den menschlichen Tribut wert, den sie mit sich bringen?
Was können wir also dagegen tun?
Wir können damit beginnen, unsere Einkaufsentscheidungen bewusster zu treffen. Anstatt uns von endlosen Schlussverkäufen anstecken zu lassen, können wir nur Dinge auswählen, die auch wirklich benötigt werden, und dabei nach Marken Ausschau halten, die auf Nachhaltigkeit, ethische Arbeitsbedingungen und minimalen Abfall Wert legen. Die Unterstützung von Unternehmen, die sich diesen Werten verschrieben haben, trägt zusätzlich dazu bei, den Fokus weg vom endlosen Konsum hin zu einem verantwortungsvolleren und überlegteren Einkauf zu verlagern.
Zudem könnt ihr mit uns, Fashion Revolution Switzerland und über 50 Schweizer Brands und Geschäften, diesen November mit dem Colourful Friday ein Zeichen gegen problematisches Konsumverhalten setzen. Eine Map zu allen teilnehmenden Unternehmen findest du hier.
Ich glaube ganz fest daran, dass wenn wir alle einen Schritt zurücktreten und nachdenken, bevor wir kaufen, können wir den Black Friday oder sogar den “Black November" zu einer Zeit machen, in der wir bewussten Konsum und nachhaltige Entscheidungen feiern.
(1) Black Friday Origin (n.d.) Black Friday Origin. Available at: https://blackfriday.ch/en/black-friday-origin/#